Weltkrebstag 2024 – Personalisierte Therapie

Weltkrebstag_Personalisierte Therapie_Interview

Am 4. Februar ist Weltkrebstag. Das Motto der dreijährigen Kampagne lautet „Close The Care Gap“ – die Versorgungslücke schließen. An diesem Tag soll mit verschiedenen Maßnahmen auf die ungerechte Verteilung von Versorgung und Hilfsangeboten innerhalb der Krebsfürsorge aufmerksam gemacht werden. Das Bayerische Zentrum für Krebsforschung (BZKF) setzt sich dafür ein, dass Krebspatienten in Bayern bestmöglich behandelt und betreut werden. Die Vernetzung der bayerischen Universitätsklinika in Augsburg, Erlangen, den zwei Standorten in München, Regensburg und Würzburg ermöglicht eine enge klinikübergreifende Zusammenarbeit. Im BZKF kommen Experten der unterschiedlichsten Fachrichtungen zusammen und diskutieren auf individueller Basis unter anderem über personalisierte Behandlungsmöglichkeiten. Wir haben mit Prof. Dr. Tobias Pukrop, Dr. Benedikt Westphalen und Karen Abel zum Thema „Personalisierte Medizin“ gesprochen und nachgefragt, welche Möglichkeiten diese für Betroffene bietet.

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Dr. Benedikt Westphalen, Sprecher des Zentrums für Personalisierte Medizin des Comprehensive Cancer Center München des LMU Klinikum:  

Was genau versteht man unter personalisierter Therapie in der Onkologie?
„Grundsätzlich sollte jeder therapeutische Ansatz in der Onkologie personalisiert, also im Sinne des Individuums erfolgen. Im engeren Sinne versteht man unter personalisierter Tumortherapie eine Behandlung, die auf die spezifischen molekularen Veränderungen und Merkmale des Tumors abzielt. Dabei möchten wir den molekularen Fingerabdruck des Tumors im Detail bestmöglich verstehen, man nennt dies auch Präzisionsonkologie.“

Wie unterscheidet sich die personalisierte Therapie von herkömmlichen Behandlungsmethoden?
„Im Gegensatz zu herkömmlichen Behandlungsmethoden wie zum Beispiel der Chemotherapie und der Bestrahlung, können wir im Idealfall Medikamente einsetzen, die den Tumor gezielt angreifen. Das bedeutet aber nicht, dass eine herkömmliche Behandlungsmethode schlecht ist. Dies zeichnet aber den Unterschied aus.“

Wie werden Patienten für die personalisierte Therapie ausgewählt und welche Faktoren spielen hierbei eine Rolle?
„Patienten für die personalisierte Therapie werden basierend auf verschiedenen Faktoren ausgewählt, wie zum Beispiel dem molekularen Profil des Tumors, dem Krankheitsstadium und dem allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten.“

Wie erhalten Patienten Zugang zu diesen Behandlungsmethoden?
„Patienten erhalten Zugang zu personalisierten Behandlungsmethoden durch ihre behandelnden Ärzte, die sie über diese Option informieren und ihnen entsprechende Therapien anbieten können. Die Entscheidung für eine Therapie wird immer gemeinsam mit dem Patienten nach dem besten wissenschaftlichen Standard getroffen.“

Welche Nebenwirkungen können bei der personalisierten Medizin auftreten?
„Nur weil eine Substanz zielgerichtet ist, heißt das nicht, dass diese keine Nebenwirkungen hat. Übelkeit, Erbrechen und Durchfall können mögliche Nebenwirkungen sein. Es ist wichtig, dass man sich darüber klar ist und mit den behandelnden Ärzten spricht.“

Karen Abel, Lungenkrebspatientin:

Wie haben Sie von der Möglichkeit der personalisierten Therapie erfahren?
„Als eine Metastase entdeckt wurde, hat mein Hausarzt schnell reagiert und mich in die Klinik geschickt. Nach einem ausführlichen Staging und einer Bronchoskopie habe ich drei Wochen später das zielgerichtete Medikament passend zu meiner Treibermutation erhalten.“

Was möchten Sie anderen Krebspatienten mit auf den Weg geben?
„Es ist sehr wichtig, dass man sich zeitnah nach der Diagnose ein zertifiziertes Zentrum in der Nähe des Wohnorts sucht. Des Weiteren rate ich jedem Patienten, auf seinen Körper zu hören und zu versuchen immer der informierte Patient zu sein. Über seriöse Seiten können Informationen rund um die Therapie und die Erkrankung beschafft werden. Über Krebsberatungsstellen und ausgebildete Psychoonkologen wie dem kostenfreien BürgerTelefonKrebs des BZKF kann ebenfalls Hilfe in Anspruch genommen werden. Eine ganz wichtige Anlaufstelle für Lungenkrebspatienten ist die Patientenorganisation zielgenau e.V..“

Wie ist es Ihnen mit der personalisierten Therapie ergangen und was sind Ihre Erfahrungen?
„Die personalisierte Therapie habe ich in Form einer Tablette erhalten. Nach der Einnahme hatte ich kaum Nebenwirkungen. Heute bin ich seit sechs Jahren dank der zielgerichteten Behandlung noch am Leben, aber man weiß als Palliativpatient nicht was passiert.“

Prof. Dr. Tobias Pukrop, Direktor des Comprehensive Cancer Center Ostbayern des Universitätsklinikum Regensburg und Mitglied des BZKF-Direktoriums: 

Gibt es bestimmte Krebserkrankungen, bei denen die personalisierte Therapie besonders erfolgversprechend ist?
„Es gibt bestimmte Krebserkrankungen wie zum Beispiel bei der Lunge, bei dem die personalisierte Therapie besonders erfolgversprechend ist. Diese positiven Erkenntnisse möchte man jetzt auf weiter Tumorerkrankungen übertragen.“Welche Rolle spielen Biomarker bei der personalisierten Therapie in der Onkologie? „In der Zukunft werden Biomarker bei der personalisierten Therapie eine enorme Rolle spielen. Sie helfen dabei, die molekularen Merkmale des Tumors zu bestimmen, die Krankheit noch besser zu definieren und eine individuellere Charakterisierung der einzelnen Patienten vorzunehmen.“

Welche Entwicklungen und Fortschritte gibt es derzeit in der personalisierten Therapie für Patienten?
„Derzeit gibt es viele Fortschritte und Entwicklungen in der personalisierten Therapie für Krebspatienten, wie zum Beispiel neue Medikamente und Therapien, die auf spezifische genetische Mutationen abzielen. Es gibt Antikörper, an die beispielsweise eine Chemotherapie gekoppelt ist (Antibody-Drug Conjugates), Immuntherapien oder die Car-T-Zell-Therapie. Weiterhin werden neue Zielstrukturen für innovative Behandlungen entdeckt, die dazu beitragen, die Therapiemöglichkeiten kontinuierlich zu verbessern.“

Wie werden diese die Zukunft der Krebsbehandlung beeinflussen?
„Die Krebsforschung hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte in der personalisierten Medizin erzielt. Ein individueller Ansatz, der auf die genetischen und molekularen Eigenschaften eines Tumors eingeht, hat sich als vielversprechend erwiesen. Es öffnet sich eine neue Tür zur maßgeschneiderten Krebsbehandlung, bei der die Vernetzung der sechs bayerischen Universitätsklinika eine entscheidende Rolle spielt.“

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

Veranstaltungshinweis


1. BZKF-Kolloquium 2024 des Molekularen Tumorboards

19.03.2024, 17.00-18.00 Uhr
Molekulare Tumorboards heute – Vorstellung der Netzwerkinitiativen und Strukturen der bayerischen Universitätskliniken 
Zoom-Einwahllink: https://fau.zoom-x.de/j/62582352349           

02.07.2024, 17.00-18.00 Uhr
Wie erhalten Patienten Zugang zu personalisierter Medizin in der Onkologie?
Zoom-Einwahllink: https://fau.zoom-x.de/j/67318508763           

24.09.2024, 17.00-18.00 Uhr
Wie geht es nach einem Beschluss des Molekularen Tumorboards weiter?
Zoom-Einwahllink: https://fau.zoom-x.de/j/63668250270