KI-gestützte Analysen ermöglichen neue Behandlungsmöglichkeiten bei akuter myeloischer Leukämie

Wissenschaftler haben vielversprechende Ergebnisse für die Behandlung von akuter myeloischer Leukämie (AML), einer bösartigen Erkrankung des blutbildenden Systems (Blutkrebs), erzielt.

Fünf Jahre nach der Erstdiagnose lebt nur noch ein Drittel aller AML-Erkrankten. Bei bis zu 85 Prozent der Patientinnen und Patienten tritt nach einer intensiven Chemotherapie eine Normalisierung des Blutbildes ein. Allerdings kehrt bei mehr als der Hälfte von ihnen binnen ein bis zwei Jahren die Krankheit zurück, weil die Chemotherapie nicht alle Krebszellen zerstört hat. Im Falle eines Krankheitsrückfalls ist eine Stammzelltransplantation für Patientinnen und Patienten oft die letzte Chance. Aber selbst dann liegt die langfristige Überlebenswahrscheinlichkeit bei unter 20 Prozent. Innovative Behandlungsmöglichkeiten sind dringend nötig.

Im Gegensatz zu anderen Formen von Blutkrebs ist AML derzeit nicht mit dem innovativen Ansatz der CAR-T-Zell-Immuntherapie behandelbar. Bei einer AML-Erkrankung fehlen aktuell noch die molekularen Ansatzpunkte gegen die bestimmte Immunzellen gezielt die entarteten Blutzellen angreifen könnten, damit das Immunsystem den Krebs auch wirklich attackiert. Genau solche Ansatzpunkte haben Professor Dr. Sebastian Kobold und Dr. Adrian Gottschlich von der Abteilung für Klinische Pharmakologie des LMU Klinikums sowie Dr. Carsten Marr und Moritz Thomas vom Helmholtz Munich Institute of AI for Health entdeckt.

Das Forscherteam hat sich auf die Suche nach alternativen Molekülen gemacht, die idealerweise ausschließlich auf der Oberfläche von AML-Zellen zu finden sind.

Mithilfe umfangreicher bioinformatischer Analysen und der Integration von Expressionsdaten (Daten, die es erlauben, Moleküle zu analysieren, die Zellen auf ihrer Oberfläche präsentieren („exprimieren“)) von mehr als einer halben Million einzelner Zellen konnte das Forscherteam nun zwei potenzielle Kandidaten für eine zielgerichtete Therapie identifizieren. Diese zwei Oberflächenmoleküle werden im Fachjargon CSF1R und CD86 genannt. Professor Dr. Sebastian Kobold erklärt: „Unsere Entdeckung könnte zu einer innovativen Behandlungsmöglichkeit der AML führen. Im Rahmen dieser Studie wurde eine KI-gestützte Analyse durchgeführt, die vor wenigen Jahren so noch nicht möglich gewesen wäre, denn die entsprechenden Einzelzelldaten für die Analyse mit KI existieren erst seit Kurzem.“

Anschließend stellten die Wissenschaftler in einem hochspezialisierten Labor des LMU Klinikums CAR-T-Zellen her, die sich gegen genau diese Moleküle richten. Die Zellen wurden dann an unterschiedlichen AML-Modellen getestet, unter anderem auch mit Zellen von AML-Erkrankten. Das Ergebnis, so Kobold: „Diese CAR-T-Zellen sind einerseits wirksam gegen die AML, andererseits bekämpfen sie kaum gesunde Zellen.“

Das nächste Ziel der Wissenschaftler ist es, ein Verfahren zur GMP (engl. Good manufacturing practice = Gute Herstellungspraxis)-fähigen Herstellung dieser CAR-T-Zellen zu entwickeln, die dann auch in klinischen Studien mit Patientinnen und Patienten, die an AML erkrankt sind, verwendet werden dürfen.

Dr. Adrian Gottschlich, Assistenzarzt an der Medizinischen Klinik und Poliklinik III, Onkologie & Hämatologie am Klinikum der Universität München, wurde für seine herausragende Arbeit für ein Forschungsstipendium des Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZKF) geehrt. Das BZKF setzt sich im Rahmen der „BZKF- Wilko Weichert Young Scientist Academy“ für die Förderung von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein. Zum zweiten Mal werden 2024 600.000 € für innovativer Projekte und Studien auf dem Gebiet der kliniknahen Krebsforschung an Nachwuchsforschende an den bayerischen Universitätskliniken und Universitäten vergeben.

Original-Publikation

Gottschlich et al. (2023): Single-cell transcriptomic atlas-guided development of chimeric antigen receptor (CAR) T cells for the treatment of acute myeloid leukemia. Nature Biotechnology, DOI: 10.1038/s41587-023-01684-0

Bei der CAR-T-Zelltherapie werden den Patientinnen und Patienten T-Zellen entnommen und gentechnisch so verändert, dass sie ein bestimmtes Protein (CAR) auf ihrer Oberfläche produzieren. Wenn diese CAR-T-Zellen wieder in den Körper der Patientinnen und Patienten injiziert werden, setzen sie sich nur mit ihrem Ziel auseinander. Dadurch wird sichergestellt, dass sie die Krebszellen der Patientinnen und Patienten erkennen und gezielt an sie binden, was zur Zerstörung der Krebszellen führt.

Bild: © LMU Klinikum / S. Hartmann