Mit LION-1 startet erste NCT WERA-Brückenstudie
ROR1-spezifische CAR-T-Zellen gehen erstmals in klinische Prüfung bei Blutkrebs und soliden Tumoren
Die Entwicklung innovativer Immuntherapien ist eines der Ziele des NCT WERA, das seit 2023 Standort des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) ist – eine langfristig angelegte Kooperation zwischen dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), exzellenten Partnern in der Universitätsmedizin und weiteren herausragenden Forschungspartnern an verschiedenen Standorten in Deutschland.
Jetzt hat das NCT WERA einen wichtigen Meilenstein erreicht. Am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) die Studie LION-1 gestartet. In dieser Phase I-NCT-Brückenstudie wird die Sicherheit und Verträglichkeit von autologen ROR1-CAR-T-Zellen bei Patientinnen und Patienten mit ROR1-positiven Tumoren untersucht.
ROR1 als Angriffspunkt bei hämatologischen und soliden Tumoren
ROR1 ist ein Oberflächenmolekül, das sowohl auf Krebszellen hämatologischer Erkrankungen als auch auf soliden Tumoren vorkommt. Damit die Immunzellen die Krebszellen besser erkennen und zerstören können, werden bei der CAR-T-Zelltherapie den Patientinnen und Patienten T-Zellen entnommen, im Labor mit einem spezifischen Sensor, dem so genannten chimären Antigenrezeptor (CAR), ausgestattet und zurücktransfundiert. Bei Blutkrebsarten wie Leukämie und Lymphknotenkrebs hat sich das Zielmolekül CD19 als wirksamer Angriffspunkt etabliert, während der Marker BCMA auf den bösartigen Knochenmarkszellen des Multiplen Myeloms zu finden ist. Das Protein ROR1 hingegen gehört zu den Cross-Entity-Targets. Das bedeutet, dass man mit einem Zellprodukt mehrere Tumore adressieren kann. Deshalb gibt es in der LION-1-Studie auch zwei Kohorten. Die neuartigen ROR1-CAR-T-Zellen werden in einer Kohorte mit Patientinnen und Patienten mit Mantelzelllymphom und chronischer lymphatischer Leukämie sowie in einer Kohorte mit Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs), triple-negativem Mammakarzinom (Brustkrebs) und adrenokortikalem Karzinom (Nebennierenrindenkrebs) untersucht.
Studienleiter der LION-1-Studie ist Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik II am UKW und Sprecher des NCT WERA. Projektleiter ist Prof. Dr. Michael Hudecek, Inhaber des Lehrstuhls für Zelluläre Immuntherapie am UKW, und als federführende Prüfärztin fungiert Prof. Dr. Sophia Danhof, die am neu geschaffenen NCT Clinical Trial Center die zellulären Immuntherapien verantwortet.
In Würzburg liefen auch die Vorarbeiten. Michael Hudecek und seinem Forschungsteam gelang es, einen ROR1-spezifischen CAR zu konstruieren und dessen antitumorale Wirksamkeit bei hämatologischen Erkrankungen in vitro und in vivo nachzuweisen. Den effektiven Einsatz von ROR1-CAR-T-Zellen gegen solide Tumoren veranschaulichte die Würzburger Forschungsgruppe unter anderem in einem fortschrittlichen mikrophysiologischen 3D Tumor-on-Chip Modell.
Die ROR1-CAR-T-Zellen werden mit einem modernen Verfahren hergestellt, das ohne virale Genfähren auskommt, die für die Herstellung anderer CAR-T-Zell-Produkte noch notwendig sind. Diese virusfreien ROR1-CAR-T-Zellen gehen nun erstmals in die klinische Prüfung. Das heißt: ROR1 wird zum ersten Mal an einer kleinen Gruppe von Patientinnen und Patienten getestet.
Rekrutierung im NCT Clinical Trial Center am UKW gestartet
Nach der Projektinitiierung inklusive Schulung des Studienteams in Würzburg delegierte Hermann Einsele als so genannter Principal Investigator (PI) am 8. April mit seiner abschließenden Unterschrift die Durchführung der Studie an das Studienteam des an die Early Clinical Trial Unit (ECTU) angegliederten NCT Clinical Trial Centers. Mit dem ersten Patientengespräch in der Endokrinologie ging es tags darauf direkt an die Rekrutierung. Ein Patient mit einem Nebennierenkarzinom kommt für die weltweit erste Anwendung von ROR1-CAR-T-Zellen in Frage. Nach den ersten so genannten Sentinel-Teilnehmern für die Dosis-Eskalation werden in den nächsten Schritten die NCT-Standorte Berlin und Köln im Rahmen von LION-1 rekrutieren. Die Standorte Erlangen, Regensburg und Augsburg weisen ihre Patientinnen und Patienten innerhalb der WERA-Allianz Würzburg zu.
Meilenstein für das NCT, für WERA und für Würzburg
„Mit unserer Studie wollen wir auch die Patientinnen und Patienten im ländlichen Raum erreichen“, sagt Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II und Sprecher des NCT WERA. Neben der Translation von Ergebnissen aus der Grundlagenforschung in klinische Studien ist die Versorgung in ländlichen Regionen ein weiterer wichtiger Forschungsschwerpunkt des NCT WERA. „Die ROR1-CAR-T-Zelltherapie hat das Potenzial eine neue erfolgsversprechende Therapie für Patientinnen und Patienten mit verschiedenen Tumorerkrankungen zu werden.“ Sophia Danhof fügt hinzu: „Das Interesse seitens unserer Patientinnen und Patienten ist enorm.“
„Der Start unserer LION-1-Studie ist ein Meilenstein für das NCT, für WERA und vor allem für Würzburg“, freut sich Michael Hudecek. Der Mediziner und Wissenschaftler ist Mitgründer des UKW Biotech Spin-offs T-CURX, das die Technologie zur Herstellung nicht-viraler CAR-T kontinuierlich weiterentwickelt und im Falle positiver Daten aus der klinischen Studie als Partner für die weitere klinische Entwicklung bis hin zur späteren Zulassung bereitsteht.
Virusfreier Gentransfer erhöht Sicherheit und Skalierbarkeit und erleichtert Zugang
Die Entwicklung der virusfreien Genfähren zur Produktion der ROR1-CAR-T-Zellen wurde von der ForTra gGmbH für Forschungstransfer der Else Kröner-Fresenius-Stiftung gefördert. Hergestellt werden die ROR1-CAR-T-Zellen unter GMP-Bedingungen am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) in Leipzig.
Durch den virusfreien Gentransfer bei der Herstellung der ROR1-CAR-T-Zellen wird die Sicherheit und Skalierbarkeit der CAR-T-Zell-Produkte im Vergleich zu herkömmlichen viralen Vektoren deutlich erhöht, was den Zugang zu dieser innovativen Therapieoption erleichtert. Und das entspricht einem wichtigen Ziel des NCT: Innovationen in der Krebsforschung in Deutschland zielgerichtet und schnell in Studien überführen, um Krebs nach neuestem Stand der Forschung erfolgreich zu diagnostizieren und bei hoher Lebensqualität zu behandeln.
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT)
Das NCT ist eine langfristig angelegte Kooperation zwischen dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), exzellenten Partnern in der Universitätsmedizin und weiteren herausragenden Forschungspartnern an verschiedenen Standorten in Deutschland: Berlin, Dresden, Heidelberg, SüdWest (Tübingen-Stuttgart/Ulm), WERA (Würzburg mit den Partnern Erlangen, Regensburg und Augsburg) und West (Essen/Köln). Der NCT Ausbau im Jahr 2023 von den ursprünglich zwei Standorten Heidelberg und Dresden auf sechs Standorte wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs angetrieben und durch die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen unterstützt. Ziel des NCT ist, Innovationen in der Krebsforschung in Deutschland zielgerichtet und schnell in Studien zu überführen, um Krebs nach neuestem Stand der Forschung erfolgreich zu diagnostizieren und unter Beibehaltung einer hohen Lebensqualität zu behandeln. Patient:innen sind dabei Forschungspartner auf Augenhöhe.
Gruppenbild: Studienleiter Prof. Dr. Hermann Einsele (Mitte vorn mit weißem Kittel) delegierte nach der Projektinitiierung inklusive Schulung am 8. April 2025 mit seiner abschließenden Unterschrift die Durchführung der Studie an das Studienteam des an die Early Clinical Trial Unit (ECTU) angegliederten NCT Clinical Trial Centers. © Kirstin Linkamp / UKW