Prof. Andreas Mackensen über die Gründung und Zukunft des BZKF

Prof. Andreas Mackensen, Direktor BZKF

Prof. Dr. Andreas Mackensen ist Direktor der Medizinischen Klinik 5 – Hämatologie und Internistische Onkologie des Uni-Klinikums Erlangen sowie Direktor des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung (BZKF). Im Interview spricht er über die Gründe für die Etablierung und Ziele eines gemeinsamen bayerischen Forschungszentrums.

Prof. Mackensen, das BZKF wurde im November 2019 ins Leben gerufen. Warum war genau jetzt der richtige Zeitpunkt für die Gründung eines bayerischen Krebsforschungszentrums?

Prof. Mackensen: Bereits in der Vergangenheit gab es eine sehr intensive, wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen den nordbayerischen Universitätskliniken Würzburg, Regensburg und Erlangen. Der Schwerpunkt der Zusammenarbeit lag vor allem im Bereich der Tumorimmuntherapie. Doch hohe wissenschaftliche Kompetenz im Bereich Krebsforschung existiert nicht nur in Nordbayern, sondern auch an den übrigen Universitätskliniken in Augsburg und an der LMU und TU in München. Das Ziel der Initiative ist es nun, die Versorgung von Krebspatient:innen in Bayern auf ein neues Level zu heben, indem man die Expertise aller sechs Standorte einem gemeinsamen Zentrum bündelt. Des Weiteren wollen wir die klinische Krebsforschung in Bayern, die bereits seit vielen Jahren auf einem hohen Niveau ist, noch weiter verbessern, um im nationalen und internationalen Vergleich konkurrenzfähiger zu werden. Langfristiges Ziel dieser Initiative ist es, allen Bürger:innen in Bayern, ganz unabhängig von ihrem Wohnort, Zugang zu bestmöglichen, neusten und innovativen Therapien zu ermöglichen.

Wie wollten Sie das erreichen?

Es war schnell klar, dass wir alle sechs Unikliniken ins Boot holen müssen, um die besten Tumortherapien entwickeln zu können. Der Fokus wird zukünftig nicht nur auf der Tumorimmuntherapie liegen: Das Spektrum soll erweitert und die Stärken desjeweiligen Standortes genutzt werden. So soll sowohl die präklinische Krebsforschung betrieben, als auch die Übertragung dieser Erkenntnisse in die klinische Anwendung gefördert werden.

Nachdem wir dieses Konzept im Wissenschaftsministerium vorgestellt hatten und schließlich im Jahr 2018 das Interesse von Dr. Markus Söder und der neu gewählten Staatsregierung wecken konnten, war der Weg für die Gründung des BZKF frei. Der Staatsregierung war es besonders wichtig, den Fokus des BZKF sowohl auf die Krebsvorsorge, aber auch auf neue Diagnostik und Therapien bis hin zur Bürgerinformation zu legen. So war es ein zentraler Wunsch, ein Bürgertelefon einzurichten, mit dessen Hilfe sich Betroffene und Angehörige über alle Fragen zum Thema Krebs informieren können.

Wie ist das Zentrum organisatorisch aufgebaut?

Das Direktorium des BZKF ist das Entscheidungsgremium und setzt sich aus jeweils zwei Vertreter:innen aus den sechs Standorten zusammen. Darüber hinaus übernimmt der Lenkungsausschuss, bestehend aus Vorstandsvertreter:innen der Universitätskliniken und Universitäten die Kontrollfunktion. Unterstützt werden wir von der Geschäftsstelle, die in Erlangen beheimatet ist, von den sechs lokalen Koordinationsteams und einem externen Beirat. Die ersten vier bis fünf Jahre dienen der Aufbauphase des BZKF. Das heißt, wir werden in verschiedenen Arbeitsgruppen eine einheitliche Grundstruktur an allen Universitätskliniken etablieren, um an allen sechs Standorten gleiche Bedingungen für die Durchführung klinischer Krebsstudien zu haben.


Welche Themen werden in den Arbeitsgruppen behandelt?

Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich z.B. mit molekularer Diagnostik. Hier möchten wir die moderne Diagnostik für Krebspatient:innen an allen Standorten weiter verbessern, um damit eine zielgerichtetere Therapie zu ermöglichen. Ein weiteres Thema ist die Etablierung einer bayernweiten BZKF-Biobank, die den Wissenschaftler:innen Zugang zu sämtlichen Biomaterialien ermöglichen soll. Hier geht es um die Etablierung einheitlicher Standards und eine optimale Vernetzung: Die Aufarbeitung von Gewebeproben soll standardisiert werden und gleichzeitig wollen wir den Austausch von Proben für bestimmte wissenschaftliche Fragestellungen vereinfachen.

Ein anderes Thema, an dem eine BZKF-Arbeitsgruppe bereits seit Mitte 2020 sehr aktiv arbeitet, ist eine webbasierte Studiendatenbank, die es Ärzt:innen, Patient:innen und Angehörigen erlaubt, sich über aktuelle klinische Studien in ganz Bayern zu informieren. In einigen Kliniken gibt es bereits öffentlich zugängliche Datenbanken für klinische Studien. Diese werden nun zu einer zentralen webbasierten Datenbank zusammengeführt, die 2021 zur Verfügung stehen soll.

Was beinhalten die Leuchtturmprojekte am BZKF?

Mit unseren Leuchtturmprojekten möchten wir Technologien und Therapiemethoden, bei denen wir an den Standorten exzellent aufgestellt sind, bündeln und gezielt ausbauen.

Warum ist das molekulare Tumorboard so wichtig?

Beim molekularen Tumorboard werden, basierend auf zusätzlichen Genanalysen, die individuellen genetischen Veränderungen des jeweiligen Tumors betrachtet, um für dann für diesen Patient, diese Patientin, ein passendes Medikament zu identifizieren, das dieses Gen angreift bzw. blockiert. In diesem interdisziplinären Tumorboard wird von Fachexpert:innen das Vorgehen diskutiert und eine Empfehlung für die beste Behandlungsmöglichkeit nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft gegeben. Krebs ist nicht gleich Krebs. Deshalb müssen wir jede Patientin und jeden Patienten individuell betrachten und dazu möglichst passgenaue Therapieformen entwickeln.

Hat die Corona-Pandemie den Aufbau des Zentrums beeinflusst?

Trotz Corona sind wir im letzten Jahr sehr gut vorangekommen. Das liegt ganz klar an unserem starken Team im Direktorium, das sehr gut zusammenarbeitet. Darauf bin ich sehr stolz und positiv überrascht, wie viel in der kurzen Zeit bereits bewegt werden konnte. Für die Unterstützung durch die bayerische Staatsregierung – auch in Zeiten der schweren Corona-Pandemie – sind wir sehr dankbar. So können wir auch 2021 unsere Ziele des BZKFs weiterverfolgen.

Wie sieht die Zukunft des BZKF aus?

Nach einer Aufbauphase von 4 bis 5 Jahren soll das BZKF in den Vollbetrieb gehen. Dann wollen wir gemeinsam klinische Studien mit neuen Krebsmedikamenten, die in Bayern entwickelt wurden, durchführen. Unsere Vision ist es, dass vielleicht eines Tages aus dem BZKF eine Zulassung für eine neue wirksame Krebstherapie resultiert. Weiterhin wollen wir die Zusammenarbeit mit der Industrie verbessern und mit dem BZKF die Grundstrukturen für eine attraktive Partnerschaft aufbauen.

Und wie sieht hierbei Ihre Rolle als BZKF-Direktor aus?

Wichtig ist, dass alle Partner:innen des BZKF als Team an den Projekten zusammenarbeiten. Denn nur gemeinsam können wir ein starkes Konsortium bilden, das national wie international in der Krebsforschung eine bedeutende Rolle spielt.  Meine Aufgabe als BZKF-Direktor besteht darin, dieses Team zusammenzuhalten und alle Kolleg:innen, die sich im BZKF einbringen wollen, zu unterstützen.

Vielen Dank für das Interview!